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Sackgasse Halsbach? – VON WEGEN!

Mancher, der sich auf der Straße von Karlstadt nach Lohr der Halsbacher Abzweigung nähert, ist verwundert über den Wegweiser: Soll der Hinweis „Sackgasse“ etwa Besucher abschrecken? Wartet dahinter ein Weg ohne Wiederkehr, weil man im Unwegsamen stecken bleibt? Nichts davon trifft zu, der Hinweis soll eigentlich nur Lastzüge fernhalten, die zuvor oftmals durch ihr Navigationssystem zur Abkürzung ins Maintal verleitet wurden.

In Wirklichkeit ist der kleine Ort als Stadtteil von Lohr, das Sonnendorf auf der Fränkischen Platte, alles andere als eine soziale Sackgasse. Landflucht, Unzufriedenheit mit fehlender Verkehrsanbindung, mangelnden Einkaufsmöglichkeiten oder Freizeitangeboten gibt es bei den kaum 350 Einwohnern so gut wie nicht. Und das liegt an den Menschen hier. In Halsbach gibt es zwar oft kein Funknetz, doch dafür eine funktionierende soziale Infrastruktur. „Wenn auf dem Land nichts los ist, machen wir eben etwas los!“, so ein Jugendlicher beim Jubiläums-Feuerwehrfest im vergangenen Juni.

Integration leichtgemacht

„Wir sind zwar schon eine eingeschworene Gemeinschaft, aber wir machen es auch Neubürgern leicht, bei uns Anschluss zu finden“, sagen die Halsbacher. Der beste Weg dazu sind die fünf großen Vereine. Kaum zu glauben, dass es im 350-Seelen-Dorf einen Sportverein gibt, der – neben Gymnastik, Yoga und Zumba – im Verbund mit den benachbarten Dörfern Fußballmannschaften aller Altersstufen, besonders auch für die Jugendlichen von U7 bis U19, unterhalten kann. Klar wurde der Sportplatz mit Trainingsgelände und Kleinfeldanlage mit Unterstützung der Raiffeisenbank Main-Spessart weitgehend in Eigenleistung erstellt. Die Integration in Vereine beginnt von klein auf. Drei Chöre hat der Gesangverein: „Sängerlust“, „Just for Fun“ und allein im Kinderchor „Confetti“ von Tanja Schulze singen 25 Kinder mit, das jüngste ist gerade mal zweieinhalb Jahre. Geprobt wird freitags bei Tanja daheim. Im Fasching ziehen die Kinder maskiert durchs Dorf, singen vor jedem Haus ihre Lieder und werden dafür natürlich belohnt.

Vereine sind Bindeglied

Eng verbunden ist das Bild von Halsbach seit 2011 mit den Dreschfreunden. Aus einem Bulldogtreffen wurde die Idee, alte landwirtschaftliche Geräte wieder gangbar zu machen und den historischen Wert von Maschinen, Techniken und Bräuchen zu erhalten. Höhepunkt ist alle zwei Jahre das große Dreschfest. Dabei locken auch die alte Dreschmaschine, das Sägewerk und die Putzmühle als größte Attraktionen viele hundert Besucher an. Hier sind besonders junge Menschen im Alter von 16 bis 35 Jahren aktiv. Ohne den Halsbacher Gemeinschaftssinn kommt auch der Obst- und Gartenbauverein nicht aus. Gold- und Silberplaketten hat man in den Wettbewerben „Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen, der schönste ländliche Spielplatz wurde hier ausgezeichnet und selbst der Friedhof ist kein Stiefkind: Für ihn gab es die Ehrenplakette für den „beispielhaften Landfriedhof“.

Alleinstellungsmerkmal Dorfsprechanlage

„Achtung, Achtung, eine Durchsage! Morgen ist wieder Altpapiersammlung. Bitte das Altpapier ab 15 Uhr bereitstellen. Ende der Durchsage!“ Kilian Amend sitzt in der ehemaligen Schule vor einer altmodisch wirkenden Anlage: Standmikrofon, analoger Röhrenverstärker und Kassettenrekorder. Zuvor macht Marsch- oder Volksmusik auf die Durchsage aufmerksam. Die Dorfsprechanlage von Halsbach ist in der Tat in der Region einmalig. Im Jahr 1966 – noch lange vor Smartphone und Whatsapp – ging der Pedell ein letztes Mal mit der „Schelle“ durchs Dorf, um Nachrichten auszurufen. Stattdessen wurde der Ort vor schon über 50 Jahren gewissermaßen verkabelt. Als zur Jahrtausendwende eine Sanierung notwendig wurde und die Stadt Lohr die Übernahme der Kosten ablehnte, sprang die Feuerwehr ein. Im Zuge von Tiefbaumaßnahmen wurde sogar eine Erdverkabelung vorgenommen. Viele Durchsagen erledigt Kilian pro Monat auf diese Weise. Natürlich ist die Feuerwehr ein tragender Verein im Dorf, vor allem in der Jugendarbeit. Fast ein Drittel der Einwohner ist mit dabei, die Frauenfeuerwehr besteht aus 13 Damen und die Jugendfeuerwehr – so sagt man wenigstens – ist zahlenmäßig größer als die von Lohr. Zurzeit ist man fleißig am Werkeln, vor zwei Jahren wurde mit dem Bau eines neuen Feuerwehrhauses begonnen.

Orgel spielt alleine

Aber noch eine Besonderheit steht für Erfindungsreichtum. Was tun, wenn keiner mehr in der Lage ist,  die Orgel zum Gottesdienst oder anderen Anlässen in der Pfarrkirche zu spielen? Katja Amend stellt die passende Problemlösung vor: Das Gerät aus Metall ist so lang wie das Manual der Orgel, unten schauen wie beim Tausendfüßler viele Stifte halb hervor. Katja setzt das Teil über die Tasten und drückt ein paar Knöpfe an ihrer Fernsteuerung. Entsprechend der eingespielten Vorgaben drücken die Stifte selbstständig die Orgeltasten und das „Te Deum“ erklingt. Mittlerweile wurde das gesamte Gotteslob  und andere wichtige Lieder entsprechend programmiert und können vom Pfarrer vom Altar aus gesteuert werden. Sogar die Register lassen sich noch einstellen. Doch auch ohne Vereinsorganisatoren lebt die Gemeinschaft vom Zusammenhalt und ihren vielen Ideen. Man bestellt das nötige Heizöl oder die Holzpellets gemeinsam, keltert zusammen im Herbst die Früchte von den zahlreichen Streuobstwiesen und lässt den Jugendlichen bei der alten Schule ihre „Bude“ selbst organisieren. Eine Attraktion ist ebenso die weihnachtliche Christbaumverlosung, bei der die Spitze mit dem  obligatorischen Fleischwurst-Ringel versteigert wird. Voll wird es auch bei den regelmäßigen „Biker-Gottesdiensten“, wenn beim Dorffest hunderte von Motorrädern rund um die Kirche versammelt sind.

Junge Leute packen an

Sterbenslangweilig ist es praktisch nie in Halsbach. Während viele große Gemeinden ohne Gastwirtschaft auskommen müssen, gibt es hier neben dem „Dorfbrunnen“ noch die gemütliche „Emmas Ruh“ mit Pizzaservice. Dazu kommen mehrere Selbstvermarkter mit Obst und Spirituosen, die bekannte Kleinbrauerei „Goikelbräu“ und einige Familien, die erfolgreich Ferien auf dem Bauernhof anbieten. Das Fazit der Halsbacher: „Die Abgeschiedenheit in unserem Dorf schweißt uns zusammen. Wir haben zum Glück viele junge Leute, die anpacken und sich engagieren, und wir haben auch ältere Verantwortungsträger, die bereit sind, die Jungen ranzulassen.“ Also, von wegen Sackgasse. Wenn da so viele nicht mehr rauskommen, dann weil sie sich hier eben wohl fühlen!

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